Wie lautet die aktuelle Zinsprognose für 2023?
Seit einigen Wochen schwanken die Bauzinsen um einen Wert von 3,5 %. Viele Experten gehen auch weiterhin eher von einer Seitwärtsbewegung mit Ausschlägen nach oben aus, andere erwarten mittelfristig Zinsen über 4 %.
Generell bewegen sich die Zinsen in einem spannungsgeladenen Umfeld. Zwischen der hohen Inflation, aufziehenden Schwierigkeiten bei der Energieversorgung und weiteren Unsicherheiten in Bezug auf den Ukraine-Krieg kann es immer wieder zu Ausschlägen nach unten und oben kommen. Die EZB hat den Leitzins zuletzt noch einmal um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 % angehoben. Aufgrund der hohen Inflation sind weitere Schritte möglich, was auch die Zinsen für Baufinanzierungen verteuern könnte. Gleichzeitig können durch die Leitzinserhöhung hoch verschuldeten Staaten im Euro-Raum unter Druck geraten. Investoren suchen dann Zuflucht in sicheren Staatsanleihen wie den deutschen, was deren Rendite sinken lässt. Das wiederum hat einen positiven Effekt auf die Bauzinsen, die sich an Bundesanleihen sowie Pfandbriefen orientieren.
Die Anhebung des EZB-Leitzinses hat in diesem System vieler Wechselwirkungen also nur indirekten Einfluss auf die Bauzinsen. Wie die Bauzinsenentwicklung 2024, 2025 oder auch 2030 aussieht, lässt sich nicht abschätzen.
Aktuelle Bauzinsen bei einem Darlehen von 320.000 €
Tagesaktuelle Zinskondition:
(Darlehensbetrag: 320.000 €, Immobilienwert: 450.000 €, PLZ: 34295, Finanzierungszweck:
KAUF
, Tilgungssatz: 2,00 %)
Zinsbindung | effektiver Jahreszins | monatl. Rate | Anfrage |
---|
5 Jahre | 3,65 % | 1.506,67 € | |
8 Jahre | 3,40 % | 1.440,00 € | |
10 Jahre | 3,32 % | 1.418,67 € | |
12 Jahre | 3,48 % | 1.461,33 € | |
15 Jahre | 3,50 % | 1.466,67 € | |
20 Jahre | 3,77 % | 1.538,67 € |  |
Quelle: Vergleich.de - Stand 01.06.2023
Wie sieht die Zinsprognose der EZB aus?
Die Europäische Zentralbank EZB hatte lange gezögert, sich von ihrer Nullzinspolitik zu verabschieden, was grundsätzlich den Rahmen für die weitere Zinsentwicklung setzt. Weil die Inflation aber auf dem höchsten Stand seit fast 50 Jahren liegt, hat sie sich im Mai zu einem weiteren Zinsschritt in Höhe von 0,25 Prozentpunkten entschieden. Der Leitzins liegt nun bei 3,75 %. Weitere Anpassungen könnten folgen.
„Wir rechnen damit, dass sich die Zinsen für 10-jährige Hypothekenkredite dieses Jahr wahrscheinlich in einem Korridor zwischen 3–4 % bewegen werden. Könnten sie auf 5 % oder mehr steigen? Ja, das können sie. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, ist nach meiner Meinung genauso gering, wie dass sie auf 2 % fallen werden.“
Ronald Slabke, CEO von Hypoport, im Interview mit dem "Handelsblatt"
Für wen ist die Bauzinsen-Entwicklung wichtig?
Diese Frage ist für künftige Bauherren genauso wichtig wie für Käufer von Bestandsimmobilien oder für eine bevorstehende Anschlussfinanzierung. Den richtigen Zeitpunkt beim Immobilienkredit zu erwischen bringt tausende Euro – der falsche Zeitpunkt kostet ebenso viel.
Zinskommentar: Wie ist die aktuelle Entwicklung der Bauzinsen?
Der Markt unterliegt derzeit enormen Schwankungen. Je nachdem, auf welches Szenario – weitere Zinsschritte der EZB oder Verlangsamung des Tempos – neue Daten gerade einzahlen, gibt es merkliche Ausschläge. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, schätzt die weitere Entwicklung der Bauzinsen folgendermaßen ein.
Wenig Bewegung bei den Bauzinsen
Zinsprognose
Kurzfristig: gleichbleibend
Langfristig: steigend
Wie wirkt sich die Zinsprognose auf mein Baudarlehen aus?
Schon kleine Schwankungen können sich langfristig in den Zinskosten bemerkbar machen. Ein deutlicher Zinssprung wie seit Mitte 2022 führt zu einer großen Belastung. Hier eine Beispielrechnung mit Herrm Sommer als Käufer im vergleichsweise günstigen August 2022 und Frau Winter als Käuferin im teureren Januar 2023.
| Herr Sommer hat Baukredit im August 2022 abgeschlossen | Frau Winter hat Baukredit im Januar 2023 abgeschlossen |
Kreditsumme | 350.000 € | 350.000 € |
Laufzeit | 10 Jahre | 10 Jahre |
Zinssatz | 2,8 % | 3,8 % |
gezahlte Zinsen in 10 Jahren | 87.325,42 € | 118.003,94 € |
Differenz | Ersparnis: 30.678,52 € | Mehrkosten: 30.678,52 € |
Ist die Zinswende da?
Ja, die Zinswende ist da. Gemessen an den Niedrigzinsen der vergangenen Jahre erfolgte die Zinswende bereits im ersten Halbjahr 2022. Im Herbst 2021 gab es 10-Jahres-Immobilienkredite für um die 0,7 %. Die aktuellen Werte zwischen 3,5 und 4 % liegen deutlich darüber. Diese Zinswende fand allerdings schon statt, ohne dass die EZB ihren Leitzins erhöht hatte. Dies erfolgte erst im Juli 2022. Erstmals seit 11 Jahren hob sie den Leitzins an, zunächst um 0,5 Prozentpunkte. Damit war auch nach der klassischen Definition die Zinswende eingetreten.
Wie wirken sich Leitzinsentscheidungen in den USA auf die Zinsprognose aus?
Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins bereits mehrfach kräftig erhöht, er liegt nun in einer Spanne von 5,0–5,25 %. Es kann zu weiteren Zinserhöhungen kommen. Die Bauzinsen in Deutschland orientieren sich vor allem an den 10-jährigen Bundesanleihen. Wegen der großen Relevanz der USA sorgen dortige Zinsentscheidungen aber oft auch für eine Sogwirkung in Europa.
Diese Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Bauzinsen
Die Zusammenhänge bei der Prognose für die Zinsentwicklung sind komplex. Der Bundesverband öffentlicher Banken etwa gibt regelmäßig eine Zinsprognose ab. Darin fließen Entscheidungen von Fed und EZB ein, die Wirtschaftsentwicklung in Nordamerika ebenso wie in Deutschland, geopolitische Turbulenzen und noch manche Faktoren mehr. Interessant an dieser Zinsprognose ist die als Prognosekontrolle bezeichnete Rückschau: Da zeigt sich, dass die Experten trotz der umfassenden Instrumente immer wieder falsch liegen. Zum Beispiel hatte niemand mit einem derart rasanten Anstieg der Zinsen wie 2022 gerechnet.
Trotzdem können auch Sie als Anleger sich an verschiedenen Indikatoren orientieren, wenn Sie sich die Frage stellen: Wie entwickeln sich die Zinsen in den nächsten Jahren?
Einflussfaktor 10-jährige Bundesanleihen: niedrige Zinsen bedeuten niedrige Bauzinsen
10-jährige Bundesanleihen sind der unmittelbarste Indikator. Sind die Zinssätze für die Bundesanleihen niedrig, sind auch die Bauzinsen niedrig. Umgekehrt machen sich steigende Zinssätze für Bundesanleihen direkt durch einen höheren Bauzins bemerkbar.
Sinkende oder gleichbleibende Zinsen sind bei anhaltend guter Wirtschaftslage und hohen Steuereinnahmen zu erwarten.
Steigende Zinsen gibt es bei einer Konjunkturflaute oder wirtschaftlicher Instabilität.
Einflussfaktor EZB: niedriger Leitzins macht Kredite billig
Auch die geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank beeinflussen das Zinsniveau. Durch die langjährige Niedrigzinspolitik verloren Sparer, während Kreditnehmer billig an Geld kamen. Umgekehrt führt ein deutlich erhöhter Leitzins zu höheren Kreditzinsen.
Sinkende oder gleichbleibende Zinsen sind bei einer Rückkehr zur Politik des billigen Gelds zu erwarten.
Steigende Zinsen wird es bei einem höheren Leitzins und einem Ende des billigen Gelds geben.
Einflussfaktor US-Notenbank: Zinserhöhungen fördern höhere Bauzinsen
Die Geldpolitik der US-Notenbank Fed beeinflusst die Zinsprognose. Deren jüngsten Leitzinserhöhungen führten auch zu steigenden Zinsen für Bundesanleihen und damit – geringfügig – höheren Bauzinsen. Die Postbank erwartet, dass die Rendite der Bundesanleihen sich wieder stärker den US-Staatsanleihen annähert, was zu höheren Bauzinsen führen würde.
Einflussfaktor Immobilienmarkt: zu hohe Immobilienpreise schrecken Käufer ab
Eine Trendwende am seit längerer Zeit heiß laufenden Immobilienmarkt könnte zunächst zu besseren Konditionen durch die Banken führen. Wenn wegen steigender Zinsen oder hoher Preise die Kunden zurückhaltender werden, versuchen die Banken durch vergünstigte Konditionen das Geschäft am Laufen zu halten.
Einflussfaktor Konjunktur: gute Kauflaune führt zu Nachfrage bei Krediten und höheren Zinsen
Eine gute Konjunktur führt üblicherweise zu Kauflaune und dies wegen der Nachfrage zu tendenziell höheren Darlehenszinsen. Dreht sich umgekehrt die Konjunkturlage, können niedrigere Zinsen für Kaufanreize angeboten werden.
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Die geopolitische Lage bringt die Gefahr unkalkulierbarer Risiken mit sich. Den Kapitalmarkt belasten z. B. Kriege wie in der Ukraine und Folgen der Corona-Pandemie.
Unsere Empfehlung: Möchten Sie handeln, handeln Sie schnell
- Für Bauherren oder Hauskäufer ist schnelles Agieren gefragt, aber ohne in Hektik zu verfallen. Das Wichtigste ist und bleibt die Anschaffung einer Immobilie, die zu Ihnen passt und die ihr Geld wert ist. Das Einsparvolumen einer um ein Viertel Prozentpunkte günstigeren Finanzierung kann nicht Wertverluste einer überteuert gekauften Immobilie ausgleichen. Sind Sie aber in ihrer Wahl sicher, sollten Sie sich zeitnah um die Finanzierung kümmern.
- Für Anschlussfinanzierungen, die direkt bevorstehen, empfiehlt sich ebenfalls ein schnelles Handeln. Wer dazu nicht die Möglichkeit hat, kann ein sogenanntes Forward-Darlehen aufnehmen. Damit sichert er sich das aktuelle Zinsniveau für einen späteren Zeitpunkt. Solch ein Darlehen kostet aber einen Aufschlag. Dieser fällt umso höher aus, je weiter die Anschlussfinanzierung in der Zukunft liegt. Eine Alternative ist ein Bausparvertrag, mit dem Sie sich jetzt noch relativ günstige Zinsen für später sichern können.
Wie entwickeln sich die Zinsen in den nächsten Jahren?
Eine seriöse Antwort darauf kann niemand geben, dazu gab es in den vergangenen Monaten zu viele Überraschungen. Im Moment gilt bei vielen Experten die Überzeugung, dass die Europäische Zentralbank weitere Zinsschritte gehen wird und damit der US-Notenbank Fed folgt. Doch verbrieft ist das nicht. Die Bauzinsen würden dann wahrscheinlich weiter ansteigen.
Zinskommentar von Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, 10. Mai 2023